– Wind, Sand, Dünen, Küste und Meer –
Die typischen Stadtbewohner erobern die Natur. Es wird keine Kulturreise, keine sogenannte Städtereise sein, es gibt keine Museen, wo die müden Besucher mindestens einen Stuhl finden können, um sich ein bisschen zu entspannen, es gibt weder kühle Kirchen in der sommerlichen Hitze noch elegante Restaurants, sondern Sand, Wind, Regen, Dünen – und die Nordsee. Zumindest haben die Broschüren und Webseiten das versprochen.
Die Autofahrt aus der mit vielfarbigen Geranien verkleideten Kleinstadt zwischen der Schwäbischen Alb und dem Schwarzwald bis zu Deutschlands nördlichster Stadt ist 900 km lang. Sommer und Hitze auf der Autobahn, manchmal im Stau, aber das ist egal, wenn man ganz Deutschland durchreisen kann. Abwechslungsreiche Landschaften, zuerst grüne Gebirge, dann das Flachland. Übernachtung in Handewitt, dann gibt es noch 340 km bis Blokhus.
Dänemark, Halbinsel Jütland und die dänische Inselwelt. Wir sind die Halbinsel durchgefahren.
Wenn man die Karte recherchiert, denkt man, dass es eine einheitliche Halbinsel ist: Südjütland, Nordjütland und im Westen der malerische Limfjord. In Wahrheit ist Nordjütland auch eine Insel. („Der Limfjord im Norden war bis zur Sturmflut von 1825 ein Fjord; seitdem ist er ein etwa 180 km langer Sund, der die Nordsee mit dem Kattegat verbindet und die Halbinsel Jütland im Norden abschließt.“ – Wikipedia)
Der Südteil Jütlands ist sehr flach. Der Horizont ist weit weg. Dank dem Klima hat die Landschaft wunderschöne tiefgrüne Farbe. Die Felder zeichnen sich durch violette Blüten aus und die typischen Blumenbüsche, die mit Vegetation überwachsenen Dünen sind bereits sichtbar. Mitten und weit grasen dunkelbraune Kühe.
In Jütland haben wir keine in Deutschland übliche Autobahn gesehen. Die Schnellstraßen waren in einem sehr guten Zustand, aber die größte Überraschung war für uns die Ruhe, der Frieden und die Einsamkeit. Die Höchstgeschwindigkeit ist 80 km/h, niemand hat es eilig – wenn man überhaupt jemanden auf der Schnellstraße trifft. Manchmal haben wir uns in einem Science-Fiction Film gefühlt, als wir für eine lange Zeit die Einzigen auf der Straße waren. Die letzten Menschen auf der Welt….
Angekommen in Blokhus. Ja, der Rat war richtig: Man darf nicht ohne Navi nach Blokhus fahren. Es war eine echte Herausforderung, das typisch skandinavisch rote Holzhaus mit weißen Fenstern und Türen in der Mitte eines malerischen Wäldchens zu finden.
Das Ferienhausgebiet lauert zwischen den Dünen. Es gibt keine Straßennahmen, keine Wegweiser. Wenn man auf den Sandstraßen zu Fuß unterwegs ist, braucht er dazu mindestens ein Smartphone oder man muss sich nach der Sonne orientieren. Ich hatte kein Smartphone, als ich nach unserer Ankunft im Ferienhaus sofort alleine losgegangen bin, um die Nordsee zu suchen. Natürlich habe ich mich verirrt, aber am Anfang machte es mir nichts aus. Unterwegs habe ich nicht nur die Dünen bestiegen, die typisch blühenden Büschen bewundert, sondern auch ein Rehbock getroffen, das neugierig hinter einem Holzhaus hervorgeguckt hat.
Die Dämmerung wurde langsam dunkler und ich wusste, dass ich aus dem Instinkt heraus zurückfinden müsste. Das heißt, ich durfte nicht auf die Dunkelheit warten.
„Es tut mir sehr leid, Nordsee, aber du musst bis morgen auf mich warten!”
Am nächsten Tag hat unser Kennenlernen mit dem windigen Norden begonnen:
Die Eroberung der vielfältigen, abwechslungsreichen, zauberhaften Dünen, die entweder grün, bunt und blühend sind, oder Wanderdünen, die im Westen losgehen, damit sie am Ende im Osten in die Ostsee stürzen können, wie Rabjerg Mile, die dänische Sahara.
In der Mitte einer „Sahara” im Norden, im Sonnenuntergang stehen…
Überall ist alles golden. Der Sand der Sahara und die müden Strahlen der schwebenden Sonne sind auch golden. Die Wolken erreichen den Sand der Düne. Im Sand liegen…
Die Eroberung Rubjerg Knudes, das Besiegen der großen, atemberaubenden, aber mörderischen Wanderdüne, die den Leuchtturm letztendlich verlieren wird. Stehen an der Spitze einer Düne, die sich über dem Meer erhebt und Angst haben, dass man zusammen mit dem Leuchtturm ins Meer hinabstürzen wird… Die Kraft der Natur fühlen und verstehen, wenn man den auch in seinem Todeskampf würdevollen Leuchtturm sieht und weiß, wie er vor noch einigen Jahren ausgesehen hat.
Grenen (bei Skagen). Wir haben einen langen Spaziergang im Septembersonnenschein an der Sandküste der Ostsee, manchmal mit den Knöcheln im Wasser gemacht. Das Wasser war kristallklar und wir konnten nicht nur ganz besondere, bunte Muscheln sammeln, sondern noch nie gesehene Phänomene im Wasser
entdecken. Der Weg in der immer schmaleren sandigen Landspitze führte uns schließlich zu dem Punkt, wo die Nordsee und die Ostsee zusammenstoßen und das Wasser der beiden Meere zusammenfließt. Zuhause kann man dann erzählen, dass man mit einem Fuß in der Nordsee und mit dem anderen Fuß in der Ostsee stehen konnte (… und es war wirklich so). Die Farben der beiden Meere waren völlig verschieden: das Wasser der Ostsee war heller und das Meer ist ruhiger. Das Wasser der Nordsee war dunkler und selbst das Meer mit seinen Quellen schien wilder zu sein.
Die Kraft der Natur… Am besten konnte ich das in der Abenddämmerung am Strand erfahren: Im wilden Wind eine goldene Sonne auf dem Boden des rothaarigen Himmels zu beobachten, die langsam ins Meer fällt, die goldene Brücke an der Nordsee bewundern und nachdenken, wie lange ich an der Küste stehen kann, damit die hohen, wilden, ungebärdigen Wellen und die Flut mich nicht erreichen.
… Das schöne Märchen könnte hier enden. Aber das tut es nicht. Stattdessen inspiriert es, führt zu Entscheidungen. Die Helden des Märchens ziehen in die deutsche Stadt um, die der Schönheit des Nordens am nächsten liegt.
War das die richtige Entscheidung?
Ein weiteres Märchen ist seit Jahren im Entstehen.
Fotos: https://saoutsidethebox.wordpress.com/2015/11/06/daenemark/
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