Abiturienten, denen bis jetzt die Freundschaft wichtiger waren, als die Karriere, die um die Trennung getrauert haben, sich über ihre Zukunft nicht sicher waren, die zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenleben sich gesucht haben…..
Von ihnen wurden die letzten schönsten Monaten ihrer Kindheit weggenommen. Und es können wir ihnen nie zurückgeben. Wir Erwachsene haben schöne Erinnerungen aus unserer Zeit – unsere Kinder, die jetzt vor dem Abitur stehen, werden keine solchen Erinnerungen haben. Vielleicht später – aber das wird schon ganz anders sein. Und es tut mir weh.
„Zwei Hamburger Schüler haben angesichts der Corona-Pandemie eine Petition zur bundesweiten Absage der Abitur-Prüfungen gestartet. … Aus Sicht der Schüler sind Abiturprüfungen für die rund 350.000 betroffenen Schüler gesundheitlich, psychologisch und gesellschaftlich nicht tragbar. … Ihr Vorschlag in der Petition: In diesem Jahr sollen Schüler deutschlandweit ein Durchschnittsabitur erhalten. Dabei soll ein Durchschnitt der einzubringenden 32 bis 40 Semesterergebnisse der vergangenen vier Halbjahre errechnet und als Abiturnote festgelegt werden.“ (24.03.2020)
„Schüler starten neue Petition gegen Abitur-Pläne. Gegen die Abitur-Pläne des Hamburger Schulsenators Ties Rabe (SPD) formiert sich neuer Widerstand. … Besonders stark belastet fühlen sich Schüler mit dem Prüfungsfach Sport. Sie sollen statt der praktischen Prüfungen zum Beispiel nun eine zusätzliche Biologie-Prüfung auf erhöhtem Niveau ablegen – ohne sich richtig darauf vorbereiten zu können.“ (02.04.2020)
„Nach Ostern treffen sich Angela Merkel und die Ministerpräsidenten, um zu beraten, wie es weitergeht mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Und spätestens am Tag danach müssen auch die Schulministerinnen und -minister erklären, ob ab dem 20. April wieder Unterricht stattfindet – und wie die ausstehenden Prüfungen, unter anderem fürs Abitur und für den mittleren Schulabschluss, organisiert werden.“ (08.04.2020)
Coronafälle in Hamburg: 3370, in Berlin: 4038 (Stand 08.04.2020, 19:00 Uhr)
„Der Streit über das Abitur spitzt sich in Berlin zu: Gegen die nach Ostern anstehenden Prüfungen macht der Landesschülerausschuss nun mobil. Angesichts der Coronakrise in diesem Jahr sollten sie ausfallen, sagte Landesschülersprecher Miguel Góngora. … Dieser Position hatte sich die Berlin angeschlossen. Der Landesschülerausschuss hat nun dazu aufgerufen, bei Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dagegen zu protestieren. Kundgebungen lehnt der Landesschülerausschuss wegen der Gesundheitsgefahren allerdings ab. Stattdessen ruft er dazu auf, „Senatorin Scheeres mit Mails zu bombardieren“, wie es in einer Mitteilung hieß. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Abiturprüfungen ebenfalls kritisch. Die Senatorin sei allerdings die falsche Adressatin für Protestschreiben, hieß es, die besser an die KMK gehen sollten. Denn wenn Berlin sich nicht an eine bundeseinheitliche Regelung halte und die Abi-Prüfungen einfach streiche, werde das Abitur in anderen Bundesländern möglicherweise nicht anerkannt.“ (08.04.2020)
Der Stress im Zusammenhang mit der Coronakrise, der Unsicherheit, der Angst von der Krankheit, der Sorge um die Großeltern, Eltern, der Existenzkrise der Familie ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Jugendliche aufgetreten. Sie sind auch in sozialer Isolation, sollten auch auf die mentale Gesundheit aufpassen. Statt emotionaler Betreuung lese ich oft im Internet scharfe Kritik gegenüber Jugendliche, bzw. Abiturienten. Die „kluge Klaviaturarevolutionäre“ aus dem bequemen Sessel in der Sicherheit der Quarantäne geben die „weisen“ Ratschläge, was die Abiturienten machen sollten. Sie beschimpfen die Jugendlichen, als schwache Generation: „Und sie sollten unsere Rente erarbeiten?“ Hmm…
Der Stress im Zusammenhang mit der Unsicherheit und dem Mangel an Informationen ist bei allen Menschen aufgetreten, auch bei Abiturienten/Abiturientinnen. Aus diesem Grund haben wir (die Schüler/innen und die Eltern) oft eine ungerechtfertigt negative Einstellung, was das Abitur anbelangt.
Trotz des Ärgers, den mein Sohn bezüglich der aktuellen Lage hat, bereitet er sich aktiv auf das Abitur vor, da es laut den neuesten – auch wenn schon einige Tage alten – Beschlüssen zum Abitur kommen wird. In der Ungewissheit hat man auch keine andere Wahl. Viele, darunter auch mein Sohn, würden ein Anerkennungszeugnis den Schnitt zwar nicht verschlechtern, jedoch wäre es nach der Mühe, die sich die Schüler/innen mit den Vorbereitungen gemacht haben, bestimmt enttäuschend, wenn alles umsonst gewesen wäre.
Es gibt keinen (digitalen) Unterricht und keine Abiturvorbereitung mehr. Glücklicherweise gibt es einige Lehrer/innen, mit denen die Schüler/innen regelmäßig über alles sprechen und ihre Fragen beantwortet bekommen können.
„Ministerin Prien machte den Schülerinnen und Schülern Mut, die am 21. April zu ihrer ersten Abiturklausur antreten „Sie sind gut vorbereitet. Sie wissen viel, Sie können viel und Sie sind durch die gesamte Oberstufe auf diese Prüfungen vorbereitet worden. Vertrauen Sie auf Ihr Können.“ (80.04.2020)
Die Tatsache, dass wir zwei Wochen vor den ersten Prüfungen alles nur als ein nebliges Rätsel und als ein noch zu entscheidendes Ereignis betrachten können, erhöht den Druck, dazu kommt auch noch die psychische Belastung für unsere Schüler/innen. „Das sichere Schlechte ist besser als die Ungewissheit.“
Unabhängig davon, welche Entscheidung getroffen wird, wäre es gut, die Beteiligten rechtzeitig zu benachrichtigen, da wir uns nur auf etwas vorbereiten können, von dem wir auch wissen!
Wenn die Abiturprüfungen im April stattfinden werden, erwarten wir die höchsten Sicherheitsmaßnahmen! Wenn unsere Kinder trotzdem ein Anerkennungsabitur erhalten werden, erwarten wir eine Stellungnahme von den Hochschulen und Universitäten, dass es bundesweit gleichwertig mit dem klassischen Abitur behandelt werden wird!
Die Unsicherheit, der Mangel an Informationen, das Chaos zeigen, dass ich heute Vormittag noch eine Stellungnahme, also eine Antwort auf eine „Umfrage Stimmungsbild“ schreiben sollte: Meine Meinung über „die psychische Belastung, Gesundheit versus Abschlussprüfungen, ob die Abschlussprüfungen fair sind“. Und heute Nachmittag habe ich in der Zeitung bzw. in der Mitteilung, die Abiturienten bekommen haben, das Folgende gelesen:
„Abitur: Kabinett beschließt Prüfungsbedingungen- Vertrauen Sie auf Ihr Können
Gemeinsam mit Gesundheitsexperten habe man ein Regelwerk erstellt, dass die Durchführung der Abschlussprüfungen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes möglich macht. Es orientiert sich an den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Veranstaltungen.“ (08.04.2020)
Termine der schriftlichen Abiturprüfungen:
Di., 21. April 2020 Profilfächer (neuer Termin)
Fr., 24. April 2020 Kernfach-Fremdsprachen (außer Französisch)
Di., 28. April 2020 Kernfach Französisch
Do., 30. April 2020 Kernfach Deutsch
Di., 5. Mai 2020 Kernfach Mathematik
- – 28. Mai 2020 Sprechprüfungen Englisch (neuer Termin)
Alles ist besser, als die Unsicherheit, „hin-und-her“, die Entscheidungslosigkeit.
Der schmerzhafteste Punkt ist, dass Kinder diesen zeremoniellen Abschied von Gleichaltrigen, Lehrern/innen und der Schule nicht erleben können. Ein weiterer schmerzhafter Punkt ist, dass sie in dieser Zeit vor der Schulschließung, die durch den Schmerz des Abschieds ohnehin bereits verschärft wurde, ihre letzten Schultage im Gymnasium verbracht hatten, ohne davon zu wissen.
Die Stimmung von uns Eltern wird durch die Stimmung unserer Kinder bestimmt. Deshalb kann ich nur die Haltung meines Sohnes wiederholen.
- Nach zwei Wochen Ärger und der Ablehnung des Abiturs akzeptierte er, dass das Abitur im normalen Verlauf stattfinden würde. Er bereitet sich darauf vor, er lernt.
- Er kalkuliert ein, dass die Prüfungen in letzter Minute abgesagt werden können, aber das hindert ihn nicht daran, sich vorzubereiten.
- Neben dem Lernen sind Kommunikation, lange Gespräche und gemeinsames Zeitverbringen (z.B. mit Videospielen) die wichtigsten täglichen Aktivitäten der Schüler/innen. All dies läuft natürlich online. Die Quarantäne wird von allen respektiert! Sie sprechen selten über das Anerkennungsabitur.
Als Eltern sehen wir, dass Jugendliche, die bisher um die Trennung getrauert haben, sich über ihre Zukunft nicht sicher waren, jetzt plötzlich erwachsen werden mussten. In einem Monat sind sie reife Erwachsene geworden, die sich an die aktuellen Realitäten anpassen und kluge Entscheidungen treffen.
Sie sind psychisch am meisten von dieser Situation betroffen, da nicht nur die abschließende gemeinsame Zeit mit den Freunden und das Abitur, sondern auch die Pläne nach dem Abitur, z.B. das (gemeinsame) Reisen, Arbeiten, der Beginn von FSJs und Studiumspläne verloren gegangen bzw. unklar sind – trotzdem beherrschen sie sich besser als viele Erwachsene und lernen, mit der Situation umzugehen! Dafür verdient jeder Einzelne große Anerkennung!
Sie sind ein ganz besonderer Jahrgang, solchen haben wir schon Jahrzehnten nicht gesehen. Wir, die Erwachsenen haben ihre Zukunft unsicher – aber hoffentlich nicht kaputt – gemacht.
Ich habe Schuldgefühl!
Mutter eines Abiturienten
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